Kultur Fußball

Wer kämpft will siegen; wer spielt, will eine Formalität erledigen: nach den Regeln sich bewegen. Wenn Fußball mehr ist als ein Spiel, wird es aufregender und verschattet zugleich: der Sieg wird wichtiger als das Spiel, insbesondere der Sieg über sogenannte Rivalen. Diese Schattenseite finden wir auch bei einem Verein, der verschiedener Missverständnisse wegen ein hohes Ansehen bei Leuten genießt, die bis dahin auch recht gut ohne Fußball auskamen. Der Torhüter, Pliquett, belegt seine Kontrahenten mit dem übelsten möglichen Schimpfwort "Opfer". Er verhöhnt durch Gesten einen herausgesuchten Spieler der anderen Mannschaft nach einem "Derby", also einem Spiel, in dem es ohnehin weniger um Fußball geht. Hat er ein Monatsgehalt Strafe zahlen müssen dafür? Ein anderer Spieler desselben Vereins nimmt eine rote Karte für den Gegner als "Geschenk" an. Das ist unsportlich (= das Übelste, was ich über einen Spieler in Ausübung seiner Tätigkeit sagen kann). Ehre, Fairness, Sportlichkeit, Rufschädigung des eigenen Vereins sind Begriffe, die mir hier zu Kopf steigen, wenn nicht sogar übel aufstoßen.

Fußball ist eine Schnittstelle zwischen männlicher, inzwischen auch weiblicher Aggression einerseits und Zivilisation andererseits. Das Fußballspiel ist eine der unzähligen gesellschaftlich entstandenen Methoden der Menschheit, sich in den Griff zu bekommen. Allein, weil es ein Spiel ist, ist es schon auf dem Feld der Kunst gelandet. Deshalb ist es dann am besten, wenn man die Kunst auf dem Feld erkennt; wenn man weiß, dass nicht der Schiedsrichter, sondern die Spieler für die Einhaltung der Regeln verantwortlich sind. Das hat annähernd funktioniert, als der Sport noch ein Mittel reicher Müßiggänger war, sich die Zeit zu vertreiben. Inzwischen ist der Sport nicht nur im Volk, sondern auch im Kapitalismus angekommen. Er hat Zuschauer, die bezahlen und Akteure, die bezahlt werden. Damit verschwindet tendenziell die Freude am zur Arbeit gewordenen Sport und damit auch die Bereitschaft, sich nach Regeln zu bewegen. Der Sieg zählt, und was der Schiedsrichter nicht sieht, löst keine Gewissensnöte aus beim foulenden Spieler. Fairness ist eine Antiquität geworden. (März 2011)