Materialpudel
Jeff Koons: "Balloon Dog (Magenta)", High chromium stainless steel, 121 x 143 x 45 inches
Koons gibt seinem Material den vollkommenen Anschein eines anderen Materials: die Metallskulptur erscheint als Heliumballon. Er ist im Umgang mit Material Gott, denn er verfügt vollkommen. Er bewegt sein Material nicht, sondern er setzt es, indem er sich darüber hinwegsetzt, wenn auch nur für das Sehen und nicht die kriminaltechnische Untersuchung. Dann erst kommt das Design, welches gedanklich vielleicht vorher war; vielleicht aber war auch der Gedanke am Anfang, etwas zu schaffen, das nicht so aussieht, als wäre es aus demselben Etwas erschaffen. Wesentlich ist, dass Material und Werk nicht mehr verschränkt sind, sondern ihnen ein willkürliches Verhältnis gegeben wird. Der Künstler als mit dem Fuß aufstampfendes Kind, was nach allgemeiner Beobachtung eine Erscheinungsform Gottes ist. Der Nachteil: wenn man Gott (einer der monotheistischen, absoluten Götter) ist, kann einen nichts mehr leiten, nichts bewegt einen, nichts zwingt einen. Man ist vollkommen frei, also auch von den Sichtweisen der herrschenden sowie der beherrschten Teile unserer Gesellschaft. Das macht den herrschenden Teil der Kunst heute fremd für alle und bedingungslos wichtig für die herrschenden Teile. Bedingungslos, weil diese Kunst leer ist und deshalb mit jeder Ideologie, jedem Diskurs, jedem Geschwätz gefüllt werden kann. Sie ist leer, weil sie dank des wissenschaftlich-technischen Fortschritts sich vom Material lösen kann, und diese neue Möglichkeit in uns anscheinend nichts anderes bewirken kann als ein Taumeln, eine Art Topfschlagen, bei welchem der Stock zufällig irgendwo auftrifft (wie in der Architektur inzwischen auch). Ich sage nicht, dass Moore oder Hrdlicka bessere Künstler sind als Koons oder Hirst. Ich sage, dass Kunst, die bis vor Kurzem aus der Auseinandersetzung mit dem Material entstanden ist, nun im Nichts gelandet ist oder im Kinderzimmer. Vielleicht lernt man noch. Vielleicht ist die Auseinandersetzung mit dem Material während der Produktion eines Werks aber auch Bedingung für dessen Sinnlichkeit; dann wäre der magentafarbene Hund keine Kunst, sondern Design, was ihn nicht moralisch wertloser macht, sondern schlicht von Kunst unterscheidet.
(März 2011)