Nase

ein Freizeitroman

Meine Mutter Sophia, die Tochter eines Fischhändlers zu einer Zeit, als Fisch mehr als Geld stank, jedenfalls in den Nasen gewisser Zeitgenossen, hatte Höheres vor, als sie von mir entbunden wurde. Das Krankenhauspersonal, welches meiner zuerst ansichtig wurde, rief unisono O Gott, hoffentlich ein Junge, denn ich war eine Kopfgeburt und das hervorstechendste Merkmal meines Kopfes war eine Nase, mit der ein durchschnittliches Mädel nicht mal einen Blinden zum Mann bekommen hätte. Ich war dann erleichternder Weise ein Junge. Erleichtert war auch meine Mutter, wohingegen mein Vater, nachdem er mich gesehen hatte, nur die Nase wahrnahm & in Grübeln verfiel, was er mit mir oder ich mit ihm wohl eines Tages anfangen könnte. Auch über der Rätselseite pflegte er lange zu grübeln, um nach längerem Leerstand seine Kunden - er war Friseur - zu befragen. Die alten Illustrierten wurden umgetauscht wöchentlich gegen halb so alte, und bis dahin mussten alle Rätsel gelöst sein. Einmal weht der Südwind wieder, singt es aus dem Radio. Caterina Valente und Silvio Francesco sind es. Da mein Vater die Illustriertenrätsel nicht ausfüllen durfte und sich deshalb alles merken musste, hatte er ein in Teilen ähnliches Gedächtnis wie ein Schachspieler entwickelt, dessen Erinnerungen das Brett, dessen mündliche oder briefliche Kommandos die materiellen Spielzüge ersetzten. Ein Teil von dem Teil habe ich geerbt - ob auf Darwins oder Mendels Art. Mein Opa, welcher der Vater meiner Mutter war und leider ein Freizeitnazi als die Zeit danach war, begrüßte meine Ankunft. Entweder ich werde ein ganz kleiner oder ein ganz großer Fisch. Er hatte eine Nase von ähnlichen Ausmaßen, trank viel Eierlikör, verprügelte meine Oma eher selten und spielte anderen Weibern den Fischmarkt-Gentleman. Mein Lebensweg wäre ihm unvorstellbar gewesen. Da er rechtzeitig starb, machte er aber keinen Ärger, sondern hinterließ eine relativ positive Erinnerung.

(2015)